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IM “Christoph”– das geschützte Vertrauen auf Auskünfte der Stasi-Unterlagenbehörde

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Der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR ist eine Bundesoberbehörde. Demgemäß ist die Presse mit einem gesteigerten Vertrauen in dessen Verlautbarung geschützt.

In den beiden jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren nimmt der Kläger die Beklagten auf Unterlassung einer Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik in Anspruch. Der Kläger, Peter Porsch, war ordentlicher Professor für Sprachtheorie und Sprachsoziologie an der Universität Leipzig, Fraktionsvorsitzender der SED-Nachfolgerin Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und der Spitzenkandidat der PDS für die Landtagswahl am 19. September 2004. Die Beklagte des ersten Verfahrens, die Dresdner Druck- & Verlagshaus GmbH & Co KG, verlegt die Zeitungen “Sächsische Zeitung”, “Dresdner Morgenpost” und “Dresdner Morgenpost am Sonntag”, die Beklagte des zweiten Verfahrens, die Axel Springer AG, die Zeitungen “Bild” und “Die Welt”.

In der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 berichteten die Zeitungen der Beklagten in mehreren Artikeln über den Verdacht, der Kläger habe als langjähriger IM “Christoph” mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt. Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als “IM Christoph” geführt habe. Er sei ohne sein Wissen “abgeschöpft” worden.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Hamburg hat den Klagen überwiegend stattgegeben, die hiergegen gerichteten Berufungen der beklagten Verlage hatten vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg ebenfalls keinen Erfolg. Auf die Revisionen der beklagten Verlage hat nun jedoch der Bundesgerichtshof die Urteile des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg in seinem Berufungsurteil getroffenen Feststellungen tragen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht die Annahme, dass das von den beklagten Verlagen verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten habe. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.

Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist, so der Bundesgerichtshof weiter, weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Beklagten der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, den gefundenen Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Kläger als IM Christoph für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei, ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durften. Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich schließlich um eine Bundesoberbehörde, der durch Gesetz die Aufgabe zugewiesen ist, die Stasi-Unterlagen auszuwerten und zu archivieren.

Urteil vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10


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